Blog5-Zeit_der_Pandemie

Denk-Anstöße

Erfolge, Chancen, Denkanstöße in Zeiten der Pandemie


E. Heinz-Joachim Hill,  07. April 2020

Was steht unseren Erfolgen derzeit im Wege? Vieles. Aber am meisten unser Handeln, unser Denken – und unserer regulatorischen Systeme und Strukturen.


Covid-19. Heute ordnen diverse Städte das Tragen von Mundschutz an. Städtische Wohnungsbaugesellschaften erhöhen ihren ca. 8000 Mieterinnen und Mietern, signifikant die Mieten. Anordnungen, auch wenn sie noch so unbedacht sind, ist Folge zu leisten. Grundsätzlich. Allerdings gibt es bestimmte Ausnahmen für Privilegierte.


Herrscht bei uns bereits Facharbeitermangel, nicht alleine in der Pandemie bei Ärzten, Pflegepersonal und anderen medizinischen Berufen so besteht ebenso ein Mangel an ausreichendem Material (z.B. Mundschutz). Es besteht die Gefahr, dass auch für ein Hochfahren der Wirtschaft ein Mangel an Unternehmern und unternehmerischer Denk- und Handlungsweise besteht, da die Eigenständigen und Selbst- und weitere Versorger auch den größten Teil der ökonomischen Ausfälle zu tragen haben.


Die Bevölkerung, die Gesellschaft spalten sich gerade jetzt zunehmend in erschaffende und die verbrauchenden Gesellschaftsgruppen. Hatten wesentliche Gruppen, zum Beispiel KMU, bereits in der Vergangenheit dem nationalen und internationalen Wettbewerb wenig entgegensetzen, so steigert sich ihr Dilemma jetzt zusätzlich. Eine ignorierte Entwicklung, die weiteren Sprengstoff erhält. Gut ausgebildete Topmanager und andere Führungskräfte der großen und größten Gesellschaften hierzulande (national wie international), tragen keine persönliche Verantwortung für den Erfolg oder Misserfolg ihrer Gesellschaften. Baron Churchill soll gesagt haben: „Sie haben Feinde? Das heißt, dass Sie sich in Ihrem Leben für etwas eingesetzt haben“. Unsere KMU und Familienunternehmen haben sich eingesetzt – Chancen genutzt, Risiken getragen: das alles für ihre Mitarbeiter und deren Angehörigen, und für die Gemeinschaft. Jetzt benötigen uns unsere Unterstützung.


Seit Jahren setze ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten für etliche Verbesserungen, etwa der Mittelstands- Finanzierung und innovativer Modelle hierzu, ein. Erfolge indes, beruhen auf Team-Schultern, und es ist vornehmlich an qualitativem und quantitativem Denken, unseren nationalen Systematiken und an eigennützigem Denken gescheitert. Innovationen und    Kreativität kommen oft erst in Situationen zustande, wenn äußere Einflüsse es erfordern.


Forderungen, Ratschläge und Regularien sind zu theoretisch


Zurzeit überbieten sich die Experten mit Rat. Leider nicht die der Praktiker oder der Bevölkerung. Forderungen, Ratschläge und Regularien sind stark theoretisch und teilweise ohne große Umsetzungsmöglichkeiten geprägt. Systematiken aus weniger ökonomischer Denk- und Handlungsweise beeinflussen stark neue Entwicklungen. Die Öffentlichkeit erwartet vom Minister, für genügend Mundschutz und weitere Schutzkleidung in Kliniken und anderen Einrichtungen zu sorgen. Es sei schließlich deren Aufgabe, so die Erwartungshaltung. Aus Wettbewerbsgründen waren die Produktionen der Unternehmen schon vor langer Zeit in andere Wirtschaftsräume verlagert worden, z.B. nach China. Jetzt müssen diese aus China (teuer) herbeigeschafft werden. Die Forderung, inländisch produzierende Unternehmen oder andere Kräfte zur Produktion zu verpflichten oder Masken im Ausland requirieren zu lassen, ist wenig bis nicht praktikabel oder „regulatorisch“ nicht möglich.


Merkwürdige Denke, die hier und auch in China auf praktische und individuelle Widerstände stoßen und Strukturen, die wir als Volk ohne Krankheit, unbeachtet ließen. Schuld sei die Politik! Und dies, wenn wir eigentlich keine Schuldigen, sondern nach gemeinsamen Lösungen suchen müssen. Initiative und Zivilcourage scheitern an destruktiven Wällen. Vom grünen Tisch aus zu entscheiden, ist ebenso problematisch, wie vom Stammtisch aus nur zu meckern. Um wieder eine bessere Zukunft, modern und lebenswert erreichen zu können, ist ein Aufeinanderzugehen in allen Bereichen notwendig. Dies kann nur durch kluge Entscheidungen und besonnenes Handeln und den Verzicht auf unsinniges „Muss“ erreicht werden.


Insbesondere in Krisenzeiten zeigen sich Stärken und Schwächen einer Gesellschaft. So könnte eine Überlegung sein, theoretische Wirtschaftsförderer in praktischer Hilfe in der Landwirtschaft einzusetzen; es würde die Diskussionen über Helfer aus anderen Nationen reduzieren. Oder wir nutzen Wissen (als unseren angeblich wichtigsten Rohstoff) zur praktischen Daseinserschaffung temporär ökonomisch, quasi wie Frischlufttätigkeiten oder Ferien auf dem Bauernhof.


Nahrung, Gesundheit, externe Einflüsse - die drei Kosmischen Gesetze


Nach dem Neurowissenschaftler und Biologen Robert Sapolsky ist unser aller Dasein bestimmt durch drei Kosmische Gesetze: 1. Nahrung, 2. Gesundheit, 3. externe Einflüsse, Möglichkeiten, Naturkatastrophen, Krieg u.ä. Zwischen diesen drei Gesetzen bestehen zeitliche und auch faktische Zusammenhänge, Wechsel- und Nebenwirkungen. Die Gesundheit, das 2. Gesetz, indes ist auch eine relativ tückische und wenig beeinflussbare Gesetzmäßigkeit. Sie unterscheidet nicht nach unseren Regeln. Krankheiten entstehen – und es gilt, diese zerstörenden Einflüsse möglichst schnell zu überwinden. Die Gesetze 2 und 3 stehen aber in unmittelbarer Abhängigkeit zu 1 (siehe Gewalt und Mitgefühl. die Biologie Menschlichen Verhaltens; ISBN 978-3-44625672). In allen Zuständen ist es essentiell, für eine rechtzeitige Nahrungszufuhr zur Daseinserhaltung zu sorgen. Das 3. Kosmische Gesetz, hingegen ist so eine Art halbgöttlich kosmisch. Katastrophen, ob durch die Natur hervorgerufen oder handgemacht, können sich ebenfalls entscheidend auf das Dasein positiv wie negativ auswirken.


Gesundheit 2020: Wir haben Pandemie. Das dringende Gebot ist es, so sozial gerecht wie möglich und so schnell wie nötig zu handeln. Sich damit zu befassen ist existentiell. Wichtig und gut, dass weite Teile der Gesellschaft helfen, wenn die Kranken dazu nicht mehr persönlich in der Lage sind oder andere geschützt werden müssen.


Pandemien sind keine neuen Erscheinungen. Mit der Entdeckung der neuen Welt kam es in Mittel- und Süd-Amerika bei den dort ansässigen Völkern und Stämmen durch eingeschleppte Krankheiten zu Verwerfungen ganzer Infrastrukturen und dem Untergang von Völkern und Kulturen. Damals bestanden noch weniger Möglichkeiten, die Krankheiten zu begrenzen oder gezielt einzugreifen. Die miteinander verwobenen Strukturen wie Gesundheit oder Wirtschaften zur Nahrungsaufnahme waren dazu nicht geeignet. Wenn Schuldzuweisung nicht möglich war, wurde es als göttliche Vorsehung angesehen.


Heute ist es positiv, dass viele selbstlos mit ihrem Einsatz und den Möglichkeiten der Mittel Heilung und Begrenzung für uns unterstützen. Hilfsbereitschaft auf allen Ebenen. Solidarität, soziales Engagement, auch in anderen Bereichen als bei Gesundheit flankieren zusätzlich. Zum Beispiel durch Ausgehverzicht, Abstand, Lohnverzicht, Kreativität. Dies alles ist nicht hoch genug zu würdigen.


Die Lebensqualität unserer Gesellschaften ist gestört. Es kommt zu quantitativen und qualitativen Einschränkungen und Verwerfungen. Jeder versucht, die Auflagen möglichst für sich und seine Nächsten zu umgehen. In einer kleineren Filiale eines Discounters regte sich eine Dame an der Kasse darüber auf, ob der Arbeitgeber kein Geld zur Sicherheit der Kassiererin und der Verbraucher übrighabe, weder Mundschutz, Handschutz, Desinfektionsmittel und Trennscheiben seien vorhanden. Die Kassiererin bat sichtlich bedrückt um Entschuldigung: leider klappe dies mit der Anlieferung der Schutzmaßnahmen noch nicht. Aber der Konzern und auch sie ermöglichten die Beschaffung ihrer notwendigen Nahrung und des Toilettenpapiers, eine sicherlich gute Abwägung quantitativer und qualitativer Aspekte in einer besonderen Situation.


Das Nothilfeprogramm  zeigt die Entfremdung zwischen Politik und Realität



Das Nothilfeprogramm der Bundesregierung spiegelt das Verständnis derer wider die sich – sicherlich mit viel Engagement – einsetzen. Die mangelnde Umsetzung basiert (ohne Vorwurf) auf einem Mangel an praktischer Expertise und Entfremdung. Wo die Umsetzung vorgenommen und die Hilfe gegeben werden sollte, herrscht teilweise höchste Verwirrung. Der Basis-Bezug fehlt, vor allen Dingen dann, wenn man nicht selbst betroffen ist und die Situation anderer empathisch fremd ist.


Regulation, schon in guten Zeiten erdrückend, erfordert in Ausnahmezeiten ganz besondere qualitative Sorgfalt. Nicht alleine Behörden sind bezüglich ökonomischer (auch gesundheitlicher) Fragestellungen oft überfordert und ignorieren (systemisch bedingt) Zusammenhänge. Gesundheit und Ökonomie sind zwei nicht nur 2 (dicht beschriebene) Seiten einer Medaille. Sie sind unzertrennlich miteinander verwoben.


Die praktische Unterstützung und Vorgehensvorschläge (in der Pandemie von Ärzten) ist wichtig und richtig. Die angebotenen ökonomischen praktischen Erfahrungen werden indes als fachfremde Einmischung in bestehende Systematiken der Regulierung angesehen.


Unsere Gesellschaft ist höchst verunsichert. Der Glaube, der jahrhundertelang emotionale Existenzängste beeinflusste, wurde durch andere Instanzen und deren Deutungshoheit, die früher bei den Kirchen lag, ersetzt und erlebt wesentliche Veränderungen. Der neue Glaube: der Staat und seine Institutionen können alles richten. Ob aber für den größeren Mittelstand das unbürokratisch Abrufen der KfW-Fördergelder und -Kredite für die beschlossenen Hilfsmaßnahmen jetzt besser klappen könnte als vor der Krise, liegt nicht alleine an den Politikern, die dies versprechen.


Über das Nationale hinaus fehlen den EU-Mitgliedsstaaten Ideen. Eine Schönwetter-Gemeinschaft, deren Vertreter erkennen müssen, dass es Dinge gibt, die in weniger schönen Zeiten nicht so funktionieren. Die Solidarität scheitert an nationalen, roten Linien. Die Warenströme versiegen. Was lernen wir daraus? Dass wir in Deutschland aufpassen müssen, dass Gemeinschaftsgeist und Gesellschaft nicht ganz schnell weiter auseinanderdriften.


Betroffen sind wir alle gleich - und doch sind auch jetzt manche gleicher


Der Ernst der Lage, der nicht alleine auf Gesundheit beruht, ist professionell anzugehen. 1912 traf die Titanic das 3. Gesetz. Innovationen im Schiffsbau nach der Katastrophe kam für viele Passagiere zu spät. Die derzeit Betroffenen der Pandemie sind wir alle. Ausnahmslos. Ökonomisch Betroffene sind all diejenigen, denen die Finanzdienstfähigkeit zur Daseinserhaltung (persönliches Grundeinkommen) abhandengekommen ist und in Symbiose auch die, die glauben, (noch) nicht dem ökonomisch Gesetzten zu unterliegen da sie sich durch Institutionen und Gesetze abgesichert sind. So stellt sich z.B. die Frage, für wen Ausnahmen gelten und weshalb, wenn Personen nicht mehr oder nur eingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen können, die einen die volle Härte trifft (z.B. Kurzarbeitergeld), während für andere in gleicher Situation, etwa für Beamte, die Beschränkungen nicht gelten. Das mag zwar gesetzlich so geregelt sein, ist aber in solchen Ausnahmesituationen weder empathisch und für so manchen schwer nachzuvollziehen. Außerdem könnte dies je länger der gegenwärtige Zustand sich hinzieht, für gesellschaftlichen Zündstoff sorgen. Die Schockstarre und die Angst vor Ungemach kann variieren und wird sich sicherlich nicht ewig dehnen lassen.


Bitte an Politiker, Exekutive und Judikative: Es gibt auch ein weiteres Bürgervolk neben den gewählten oder eingesetzten Repräsentanten. Die Regularien (Steuern, Insolvenzen u. ä.) sind für Unternehm(ung)en – ob groß oder klein – derzeit möglichst einheitlich abzustimmen und auch über diese Zeit hinaus so zu handhaben, dass möglichst viele ihre Existenz sichern können. Wir haben eine absolute Ausnahmesituation, die andere Mechanismen, andere Regelkreise benötigt und auch eine andere Dynamik hat, als das, was uns lieb und vertraut ist.


Bei der Titanic 1912 waren Mannschaft und Offiziere bemüht, Leben zu retten, und gingen mit ihren Passagieren unter. Es geht bei der Nothilfe nicht darum, politische oder andere Latifundien zu verteidigen. Im Wesentlichen gilt es, die fixen Existenzkosten derer zu deckeln, denen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht und die für uns nachhaltig Erschaffende sind. Volks-wirtschaftlich ist das Überleben eines Staates direkt von den Erschaffenden abhängig. Das ist eine quantitative aber insbesondere auch eine qualitative Fragestellung, die ein hohes Sprengstoffpotenzial birgt. Es gilt jetzt, die Gesellschaft nicht noch stärker auseinander driften zu lassen. Immerhin versucht jeder, genügend Toilettenpapier zu horten. Gegenüber den Beteuerungen dass die Grundbedürfnisse gesichert sind, 1. Kosmisches Gesetz, nicht unbedingt ein Vertrauensbeweis der Gesellschaft.


Praxisorientierte Task Forces


Petitum: Es ist essentiell, jetzt, aber insbesondere zukünftig und nachhaltig die gemachten Erfahrungen und Ergebnisse zu beachten. Die individuellen Entwicklungen müssen durch übergreifende, neutrale, praxisorientierte Task Forces eruiert werden. Gemeinsame Stärken und Schwächen unserer Wirtschaftssysteme sind detaillierter hinsichtlich ihrer Bedeutung und nicht nach Größe und Umsatz zu analysieren und darüber hinaus durch Praxis und Theorie auf Augenhöhe Prozeduren, Abwicklungen, Regeln aller wirtschaftlich beteiligten (wie bei den Ärzten, Virologen usw.) auszutauschen und dies in den Gesellschaftsgruppen höchstmöglich zu harmonisieren.


Es besteht sonst die Gefahr, dass aufgrund fehlendem Verständnis, die aufgehende Schere die breite Bevölkerung wieder auf „die Straße“ gehen lässt.


Die Ampeln zeigten bei den letzten Wahlen schon vor der Pandemie orange.

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